Wie demokratisch ist unsere Demokratie?

Wir leben in einer Demokratie, doch wie demokratisch leben wir eigentlich? Ich habe mir dazu mal ein paar Gedanken gemacht und dabei einige demokratiefeindliche Strukturen gefunden.

Bevor ich auf diese näher eingehen will, möchte ich jedoch erst einmal klären, welche Merkmale eine Demokratie ausmachen. Denn ohne diese Merkmale kann ich keine demokratiefeindlichen Strukturen erkennen und benennen.

Merkmale einer Demokratie

Ein Problem ist, dass es viele Staaten gibt die sich Demokratie nennen, darunter auch Diktaturen. Daher ist es unabdingbar, zu definieren, welche Merkmale eine Demokratie ausmachen. In der freiheitlichen demokratischen Grundordnung werden die obersten Grundwerte der Demokratie in Deutschland genannt. Diese Grundwerte sind die Merkmale der Demokratie in Deutschland.

Als grundlegende Prinzipien der freiheitlichen demokratischen Grundordnung hat das Bundesverfassungsgericht genannt:

  • Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten, vor allem vor dem Recht der Persönlichkeit auf Leben und freie Entfaltung
  • die Volkssouveränität
  • die Gewaltenteilung
  • die Verantwortlichkeit der Regierung
  • die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung
  • die Unabhängigkeit der Gerichte
  • das Mehrparteienprinzip
  • die Chancengleichheit für alle politischen Parteien mit dem Recht auf verfassungsmäßige Ausübung einer Opposition
  • Freie Wahlen
  • Meinungs- und Pressefreiheit
  • Religionsfreiheit
  • Trennung von Kirche und Staat

Diese Prinzipien sind die Merkmale einer Demokratie in Deutschland und sind unantastbar. Allen voran steht die Würde des Menschen (Art. 1 GG).

Werden die Menschenrechte nicht gewahrt, verstößt dies gegen die demokratische Grundordnung. Ein aktuelles Beispiel ist Frankreich, welches durch seine Notstandsgesetze die garantierten Grundrechte aushebelt und so gegen die demokratische Grundordnung verstößt.

Abgrenzungen zu anderen Staatsformen

Eine Demokratie definiert sich auch durch Abgrenzungen zu anderen Staatsformen. So ist eine Monarchie eine erbliche Herrschaft und der König vererbt sein Amt z.B. seinem Sohn. In einer Aristokratie herrscht eine Gruppe Adliger (also auch Vererbung der Ämter) und in der Oligarchie herrschen Wenige wie in einer Aristokratie, nur das die Abstammung keine große Rolle spielt. In der Theokratie herrschen religiöse Führer und in einer Diktatur herrscht ein Einzelner oder eine Gruppe, die mit Gewalt die Macht an sich gerissen haben und sich auch so an der Macht halten.

Werden diese Merkmale in Deutschland heutzutage wirklich alle umgesetzt?

Unsere Demokratie bekommt oft den Vorwurf, dass die Macht von den oberen Parteifunktionären und von den Lobbyisten aus geht. Und ist die Demokratie verträglich mit dem Kapitalismus? Welche Rolle spielen Schule, Uni und Konzerne?

Die Politiker

Zwar können sich die Politiker darauf berufen, „demokratisch“ gewählt zu sein, aber nach den Wahlen tun sie oft genug das, was sie wollen, ohne einen Dialog zu den Wählern herzustellen.

Weiterhin arbeiten die Politiker in Nebentätigkeiten (trotz der guten Bezahlung als Politiker) oft noch für Wirtschaftsunternehmen und verbringen dort mehr Zeit mit der Arbeit als für ihre Aufgabe als Politiker. Hier müsste vielmehr geregelt sein, wie viel Politiker z.B. in Nebentätigkeiten arbeiten dürfen. Außerdem müssen die Verdienste der Nebentätigkeiten detailliert veröffentlicht werden.

Bei beiden Problemen sind die Medien gefragt, die die Versprechen vor und nach der Wahl vergleichen müssten. Die Regierung müsste dann dazu Rede und Antwort stehen. Und bei den Nebentätigkeiten – welche die Politiker beeinflussen, z.B. durch einen höheren Verdienst – müssten die Medien Recherchearbeit leisten und die Prozesse im Hintergrund transparent machen, wenn es schon nicht die entsprechenden Gesetze dazu gibt.

Ein weiteres Problem sehe ich in der Lobbyarbeit, denn Lobbyisten bringen inzwischen Gesetzesvorschläge mit ein und sind allgegenwärtig im Bundestag (Sie haben in den Ministerien eigene Arbeitszimmer, eigene Schreibtische, eigenes Telefon und eigene Kopierer.). Diese Gesetzesvorschläge werden oft ohne große Änderung übernommen und von den Fraktionsvorsitzenden vorgestellt. In meinen Augen ist das eine Katastrophe, dass die Wirtschaftsunternehmen hier einen so großen Einfluss haben. Die Lobbyisten müssen dringend aus den Ministerien verschwinden und auf Gesetzesvorschläge muss wahrheitsgemäß stehen, wer diese ausgearbeitet hat, bzw. wer mitgearbeitet hat und beratend tätig war.

Das Wirtschaftssystem Kapitalismus

Und wie passt das Wirtschaftssystem Kapitalismus zu einer Demokratie? Denn noch mächtiger als Politiker sind führende Manager der großen Konzerne, die überhaupt nicht gewählt worden sind. Dies passt in meinen Augen überhaupt nicht zusammen und widerspricht dem demokratischen Grundsatz, dass alle Macht vom Volke ausgeht.

Das menschliche Bedürfnis ist ein freies, gerechtes und selbstbestimmtes Leben, welches der Kapitalismus mit seinem Zwang, Profite zu erzielen, entgegen steht. Fast alle Bereiche in unserem Leben werden durch kapitalistische Prinzipien geprägt:

  • Gewinnmaximierung
  • fremdschädigende Konkurrenz
  • schädliches Wachstum

Nicht der Mensch steht im Mittelpunkt, sondern das Kapital.

Zum Beispiel entwickelt sich der Gesundheitsbereich immer mehr in die zunehmende Privatisierung. Nur wer zahlen kann, hat auch ein Recht auf Medikamente gegen z.B. AIDS oder Malaria. Ein demokratischer Gesundheitsbereich sieht so aus, dass Medikamente, ärztliche Betreuung und Pflege allen zugänglich gemacht wird – der Mensch steht im Mittelpunkt. Pflegende, Gepflegte und Angehörige bestimmen den Gesundheitsbereich mit.

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Bildung

In der Kindergrippe, im Kindergarten, in der Schule und der Universität lernt man nicht Demokratie zu leben, sondern wird vorbereitet auf die kapitalistische Arbeitswelt. Echte Demokratie im Bildungssystem würde den Menschen als vernünftiges Wesen ernst nehmen und ihm Raum geben sich selbst kennen zu lernen, es gäbe Mitbestimmung und die Zeit, Interessen und Fähigkeiten ungedrängt zu entwickeln. Kinder, Schüler und Studenten lernen nicht, was Solidarität und Gerechtigkeit bedeutet, kein kritisches Hinterfragen und keine Selbstbestimmung.

Im Arbeitsbereich gibt es genau das gleiche Problem, es herrscht keine Demokratie, sondern eine Monarchie, Aristokratie, Oligarchie oder Diktatur. Würde ein Unternehmen demokratisch gestaltet werden, würden alle ungefähr das gleiche verdienen, sich den Gewinn teilen und Entscheidungen gemeinsam treffen. Zum Beispiel müssten die Energiekonzerne vergesellschaftet werden, damit Energie allen dient und ökologisch ist, nur dann ist es mit der Demokratie vereinbar. Hier zeigt sich, dass fast alle wichtigen Institutionen nicht mit dem Geist der Demokratie vereinbar sind.

Das bedeutet nicht, dass ich für einen demokratischen Sozialismus eintrete, wie er in der DDR ausgeübt wurde. Ich bin jedoch dafür, dass Bankensysteme, Schlüsselindustrien und Versorgungsindustrie (Strom, Wasser, etc.) in öffentliche oder genossenschaftliche Hand gehören, damit bei diesen wichtigen Institutionen eine Mitbestimmung gewährleistet ist. Kleine und mittelständische Unternehmen wären davon nicht unbedingt betroffen, aber eine genossenschaftliche Vereinigung halte ich auch hier für sinnvoll.

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Fazit

Eine Demokratie hat das Ziel, die Bedürfnisse aller Menschen wahrzunehmen. Der Kapitalismus hat das Ziel, Gewinn zu erzielen und nach diesem zu streben. Echte Demokratie, also die Orientierung an den Bedürfnissen aller Menschen, geht daher nur ohne Kapitalismus.

Eine Demokratie muss sich in alle Bereiche – wie den politischen, wirtschaftlichen, ökologischen und kulturellen Bereich – der Menschheit erstrecken und dort muss nach demokratischen Grundsätzen gehandelt werden.

Wir müssen unsere Demokratie verbessern, denn nur in dieser Gesellschaftsform kann sich der Mensch am freiesten entfalten.

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3 Gedanken zu „Wie demokratisch ist unsere Demokratie?“

  1. Objektiv kann in dieser Gesellschaft keine , o. nur Elemente der Demokratie herrschen.Unsere“ Demokratie“ beschrängt sich auf alle 4 , o. 5 Jahre auf die Wahlen .Dann geben wir die Macht ab.das Kapital hat seine Kandidaten schon längst in Position gebracht. Parteien sichern ihnen die Macht .Spenden an die Parteien sind der Dank des Kapitals.Ein Jeder solle sich die Zusammensetzung des Bundestages ansehen , um zu erkennen, wer wessen Positionen vertritt.
    Einfache Grundpositionen bestätigen diesen Gedankengang:
    1. Wessen Brot ich esse , dessen Lied ich singe,
    2.Das SEIN bestimmt das BEWUßTSEIN,
    Ein Jeder ist Träger ein bestimmten Bewußtseins , dieses wird durch die Gesellschaft vermittelt und fängt schon im Kindergarten an. Jede Gesellschaft hat eine sie prägende Basis , über die sich ein Überbau erhebt , der die Basis sichert.

  2. die Basis einer Gesellschaft wird durch die herschenden Produktions.u.Eigentumsverhältnisse an Produktionsmittel bestimmt. Und niemals wird in einer Gesellschaft Demokratie sein , so lange der Mensch sich in der Abhängigkeit dieser Verhältnisse befindet.
    Dieses System beruht auf Ausbeutung , oder glaubt jemand ,ein einzelner Kapitalist könnte einen solchen Reichtum erarbeiten???
    Und in einer Krisensituation kann man die wahre Demokratie kennen lernen.Massenhaft werden Arbeiter entlassen , siehe jetzt den VW-Konzern ,25000 Arbeitskräfte sehen diesem Weg entgegen.So sieht es in der ganzen Welt aus , wo das Kapital seine Herrschaft ausübt. Im Extremfall scheuen sie nicht mal den Krieg.

    1. Hallo Gerd, ich kann deine ganzen Kritikpunkte verstehen und auch nachvollziehen. Wie ich auch schrieb, krankt die Demokratie in unserem Lande. Jedoch gibt es eine wichtige Sache die man als Demokrat nicht außer Acht lassen sollte: eine Demokratie ist immer nur so gut wie ihre Demokraten. Es liegt also auch in unseren Händen, in den Händen des Volkes, was wir aus unserer Demokratie machen. Als Demokrat hat man sich politisch zu beteiligen, damit eine lebendige Demokratie entsteht. Die Reichen und Mächtigen werden es für uns Demokraten jedenfalls nicht tun.

      Und deiner Aussage „Das SEIN bestimmt das BEWUßTSEIN“ kann ich nicht zustimmen. Mein Bewusstsein habe ich mir zu erarbeiten und danach lebe ich dann auch. Wenn das Sein mein Bewusstsein bestimmen würde, wäre ich kein autonomer Mensch, sondern nur von Fremdeinwirkungen (Gott, Geschichte, Markt, etc.) bestimmt. Und dies widerspricht einer demokratischen Lebensweise, in der der Mensch selbst sein Leben bestimmt.

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