Ich bin Vater zweier Kinder und möchte in diesem Artikel meine Erfahrungen mit Erwachsenen und Kindern beschreiben. Warum ich das machen will? Weil mir auffällt, dass Kinder oft von Erwachsenen ignoriert werden.
Man stelle sich folgende Situation vor: ich besuche mit meinen Kindern und meiner Frau ein anderes Elternpärchen aus der Kita. Die meisten Erwachsen sagen mir zwar „Guten Tag“ oder umarmen mich, die Kinder aber werden praktisch nicht beachtet. Wenn überhaupt, kommt in kurzes „Hallo“ raus. Dass die Erwachsenen mich als Erwachsenen mal ignorieren und auf meine Kinder zustürmen habe ich fast noch nie erlebt. Oder sich nach der Begrüßung sich den Kindern widmen, diese auf Augenhöhe begrüßen, sie etwas fragen, mit ihnen sprechen oder spielen.
Ein Wahrnehmen der Kinder ist sehr wichtig
Ich möchte mit anderen Erwachsenen eine gute Beziehung führen und dazu gehört, dass diese meine Kinder wahrnehmen. Wer meine Kinder nicht wahrnimmt, nimmt mich als Person nicht wahr. Denn meine Kinder gehören zu mir und machen einen Großteil meines Alltags aus. Außerdem tut es mir selbst weh, wenn andere ignoriert und damit ausgeschlossen werden.
Wer sich für mich interessiert, muss sich auch für meine Kinder interessieren. Und wer ein gutes Verhältnis zu mir aufbauen möchte, der sollte genauso ein gutes Verhältnis zu meinen Kindern (und auch zu meiner Frau) aufbauen. Erst dann nämlich fühle ich mich in allen Bereichen wahrgenommen. Passiert das, kann ein sympathisches Miteinander entstehen.
Der Hauptgrund aber ist, dass ich die gleichberechtigte Wahrnehmung aller Menschen als eine wichtigste demokratischen Grundsätze sehe. Denn nicht nur in rechtlichen und materiellen Dingen muss es eine Gleichberechtigung geben, sondern auch auf psychologischer Ebene. Und dazu gehört für mich der gleichberechtigte Umgang mit allen Menschen. Egal ob Baby, Kleinkind, Rentner, Hautfarbe, Sprache, Größe, Herkunft, etc.
Wie sieht ein „Wahrnehmen“ der Kinder aus?
Was meine ich mit Wahrnehmung? Ich verstehe darunter, dass man Kindern auf Augenhöhe begegnet. Kinder sind keine kleinen unwichtigen Wesen (die vielleicht noch nerven), sondern sind vollwertige Menschen mit den gleichen Rechten wie Erwachsene. Und dazu gehört, dass ich Erwachsene sowie Kinder nicht ignoriere. Besonders nicht die Kinder, weil Kinder für eine Gesprächsatmosphäre nie verantwortlich sind. Das kann man von ihnen gar nicht verlangen. Die Verantwortung tragen immer die Erwachsen. Weiterhin müssen Kinder die Aufmerksamkeit, Wärme, Herzlichkeit, Geborgenheit, Achtung und Förderung bekommen, die sie benötigen um psychisch und physisch gesund heranzuwachsen. Das bedeutet im Konkreten, dass Kinder keinesfalls ignoriert werden dürfen. Dabei ist es egal, ob diese ein Anliegen haben oder einfach nur anwesend sind. Kinder möchten gefordert und gefördert werden. Das heißt, ist ein Kind sehr ruhig, bedeutet dies noch lange nicht, dass das Kind befriedigt ist seinen den Bedürfnissen. Es könnte unheimlich viele Bedürfnisse haben, aber diese aus Scham oder schon antrainierten Verhaltensformen nicht zum Ausdruck bringen. Daher ist es unausweichlich mit den Kindern zu kommunizieren.
Und kommunizieren bedeutet nicht, dass man das Kind mit „Tu tu tu, na du kleines süßes Schnullilein“ anspricht, seine Stimme in eine Piepsstimme verwandelt und dazu noch ein Grimasse macht. Das ist kein Ernstnehmen der Kinder auf Augenhöhe, wie André Stern dazu sagt. Das ist ein Ausgrenzen der Kinder aus der Gruppe der Erwachsenen. Und ein Ausgrenzen – und damit Ablehnung – von anderen Menschen ist mit das Härteste was einem passieren kann.
Warum schaffen es die Erwachsenen nicht auf Kinder einzugehen?
Was wäre aber ein Artikel, der nur kritisiert, aber kein grundsätzliches Denken und Hinterfragen anstößt. Daher möchte ich versuchen zu analysieren, warum Erwachsene Kinder nicht wahrnehmen.
Unsicherheiten im Umgang
Viele Erwachsene wissen nicht wie sie mit Kindern umgehen sollen. Dabei spielt es keine Rolle ob die Erwachsenen selbst Kinder haben. Nur wer Kinder gemacht hat, weiß noch lange nicht wie man diese behandelt. Es gibt kinderlose Erwachsene die viel besser mit Kindern umgehen können. Die Unsicherheiten selbst kommen daher, dass die Erwachsenen sich nicht damit auseinandersetzen, wie man mit Kindern umgehen möchte. Sie wollen es auch nicht mehr lernen, sondern gehen eher ihren Bauchgefühl nach, dass es irgendwie schon klappen wird. Doch meistens funktioniert dies nicht.
Bedenkt man noch, dass Erwachsene für Kinder eine natürliche Autorität sind, dann kann man sich vorstellen, dass die Kinder von einem unsicheren Erwachsenen auch verunsichert sind. Das ist dann nicht die beste Grundlage um eine Beziehung untereinander aufzubauen.
Angst vor Kindern
Ein weiterer Punkt ist die Angst vor den Kindern. Klingt sicher erst mal merkwürdig, aber ich halte das für sehr wahrscheinlich. Kinder sind neugierig auf die Welt und stellen Fragen, mal schöne, mal unangenehme. Und gerade vor den unangenehmen Fragen haben die Erwachsenen Angst. Das sind Fragen wie: „Warum töten Menschen andere Menschen?“, „Warum zerstören die Menschen die Natur“ oder etwas harmloser „Wie bin ich entstanden in Mamas Bauch?“. Oder was sagt man seinen Kindern, wenn sie fragen, was Natur ist, oder was Kultur bedeutet? Ich denke, dass viele Eltern dann keine einfache und kurze Antwort darauf haben.
Falls diese Fragen aufkommen, sollte man nicht so tun, als wenn man alles weiß als Erwachsener. Das glaubt eh kein Kind auf Dauer. Und zu behaupten, dass man alles weiß, ist dazu noch ganz schön arrogant. Es reicht völlig zu sagen, dass man das nicht weiß und nachschauen muss. Im Anschluß könnte man mit dem Kind den Begriff im Duden nachschauen oder zu einem anderen Zeitpunkt noch mal darauf zurückkommen. Und wer es weiß, sollte versuchen nicht sein Kind mit einer Predigt niederzuquatschen. Das führt nur dazu, dass die Kinder irgendwann nichts mehr fragen.
Dazu kommt noch, dass Kinder sehr einfach die Widersprüche der Erwachsenen erkennen. Kinder haben von Geburt an die Vernunft in sich und können sehr logisch denken. Das macht den Erwachsenen zu schaffen. Gerade wenn diese sagen, dass man nicht rauchen soll und das ungesund ist, sich aber danach verziehen und eine Zigarette anstecken. Garantiert sehen das die Kinder oder sie riechen es.
Fehlende Wahrnehmung / Desinteresse an Menschen
Andere Menschen wahrzunehmen muss man lernen. Nicht jeder kann daher auch Kinder wahrnehmen. Oft ist es so, dass Menschen nicht wahrgenommen wurden und daher selbst auch diese Fähigkeit nicht entwickeln konnten. Wer keine Wahrnehmung und Aufmerksamkeit bekommt, muss um diese kämpfen und kann erst recht nichts davon weitergeben. Denn nur wer Wahrnehmung und Aufmerksamkeit in einem guten Maße bekommt, kann diese auch weitergeben.
Genauso verhält es sich mit dem Interesse an anderen Menschen und allgemein an der Welt, am Leben ansich. Wer als Kind kein Interesse für di Welt entwicklen konnte oder dürfte, der wird auch später sehr schwer ein Interesse für das Leben entwicklen können. Ja, er hat demnach auch wenig Interesse an der Welt und wird sich für vieles nicht interessieren, was für andere Menschen wiederum normal und lebensnotwendig ist. Ein Mensch, der kein Interesse an der Welt hat, wird auch kein Interesse an Kindern, oder allgemein an Menschen, entwicklen können. Und erst durch Interesse am Gegenüber entsteht Wahrnehmung und Aufmerksamkeit.
Kinder sind minderwertig
Es gibt Sichtweisen, die Kinder nicht als vollwertige Menschen betrachten und ihnen daher keine Aufmerksamkeit schenken. Sie sind es einfach nicht wert, sich mit ihnen näher zu beschäftigen. Oft geht diese Ansicht einher, dass das Kind (aber auch andere Menschen) erst einmal was leisten müssen, bevor sie die nötige Aufmerksamkeit bekommen. Dieser Ansatz ist in unserem Wirtschaftssystem weit verbreitet. Es gibt erst den Lohn wenn man etwas leistet. Das heißt auch, dass keine Kritik auch schon genug Lob ist. Ich halte diese Meinung für sehr gefährlich, weil damit alle Menschen minderwertig sind, die dem Wirtschaftssystem „nichts leisten“ (was das auch immer bedeutet, dies müsste näher erarbeitet werden). Das sind Kinder, Mütter oder Väter die zu Hause sind mit ihren Kindern, Arbeitslose, Kranke, Behinderte, Rentner und Flüchtlinge die nicht arbeiten dürfen. Damit teilt man die Gesellschaft in zwei Klassen und hetzt diese aufeinander auf.
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Wie könnte ein optimaler Fall aussehen?
Nun hab ich die derzeitige Situation zusammengetragen und einige Analysen angestellt, warum dies so sein könnte. Ich möchte aber auch eine kleine optimale Situation beschreiben wie ich sie schon mal erlebt habe.
Der Besuch kommt und die Kinder sind schon ganz gespannt wer uns heute besuchen kommt. Nennen wir den Besuch Peter und Maria, ein Pärchen, beide Mitte 30. Sie kommen rein und sagen mir und meiner Frau kurz Hallo. Mehr nicht, keine Fragen wie „Wie geht’s dir“ oder sonst was. Falls die Fragen doch nötig sind, sollten diese kurz gehalten werden mit kurzen Antworten. Es gibt später noch genug Zeit sich darüber mehr auszutauschen.
Peter und Maria begrüßen entweder als erstes die Kinder oder uns als Erwachsene – das ist im Grunde egal. Nach der Begrüßung gehen Peter und Maria, oder einer von Beiden zu den Kindern / zu dem Kind. Sie stellen kurze Fragen, haben sich diese vielleicht sogar schon vorher überlegt, wie man auf die Kinder eingehen könnte (was interessiert die Kinder, welche Spielzeuge sind derzeit beliebt, etc.). Die wenigstens können so etwas aus dem Stegreif, denn auch hier muss man sich überlegen, wie man eine Kommunikation mit den Kindern aufbauen möchte und aufrechterhalten kann. Es geht darum, dass die wenigstens Kinder aktiv ein Gespräch führen können, denn das müssen sie noch lernen im Laufe ihres Lebens. Wie oben schon beschrieben ist immer der Erwachsene für die Gesprächsatmosphäre zuständig. Ein Kind kann dies nicht leisten.
Grundsätzlich widmet man sich also als erstes den Kindern. Die Erwachsene spielen die zweite Rolle, so lange bis die Kinder einigermaßen gesättigt sind an ihren Bedürfnissen. Die Bedürfnisse sind hier ganz unterschiedlich. Manche Kinder wollen den Besuchern sofort all ihr Spielzeug zeigen, manche wollen Bücher lesen oder manche wollen sofort mit einem Spielen. Hier ist es wichtig, dass richtige Maß zu finden. Definitiv darf das Kind nicht bedrängt oder zu etwas genötigt werden. Weiß es nichts mit dem Erwachsenen und den Fragen anzufangen, so hilft zu 99{d5ba8b1113c0c8caf9fda962716979414e2af8ff5f98888acf4b80625b6d5dc5} eine einfach Lösung: anfangen zu spielen.
Sobald man anfängt zu spielen oder sich ein Buch anschaut – und dies noch etwas kommentiert, wie „Oh, interessant die Bilder“ oder „Tut tut, hier muss jetzt das Auto einparken“ oder „Oh, deine Puppe hat glaube Hunger, ich werde sie jetzt füttern“ – werden darauf die meisten Kinder einsteigen (besser vorher noch Fragen ob man das Spielzug nehmen darf, ansonsten geht auch angucken von außen ohne anfassen). Das Ergebnis das daraus entsteht, ist wirklich toll, und kann fast immer angewandt werden.
Die Art der Vorgehensweise hat den Vorteil, dass das Kind nicht direkt im Rampenlicht steht (falls es dem Kind unangenehm ist), sondern nur nebenbei Aufmerksamkeit bekommt. Aber trotzdem interessiert man sich stark für das Kind, weil man in die Welt der Kinder durch das Spielen eintaucht. Wenn man sich dann noch geistig darauf einlassen kann, also die Welt der Kinder verstehen lernt, wird man schnell Zugang zu den Kindern erhalten und eine tolle Beziehung aufbauen können.
Nun beschäftigt man sich mit den Kindern etwas und widmet Ihnen volle Aufmerksamkeit. Das kann fünf Minuten dauern, eine halbe Stunde oder sogar länger. Ich bin aber der Meinung, dass man sich mindestens 10 bis 15 Minuten auf das Kind einlassen sollte. Danach kann man dann auch zu den anderen Erwachsenen gehen und sich unterhalten. Wenn man dann aber den Raum verlässt oder zu anderen geht, sollte man das dem Kind immer mitteilen.
Grundsätzlich hat diese Vorgehensweise auch den Vorteil, dass die Kinder insgesamt auch entspannter sind. Sie müssen nämlich nicht bei den Erwachsenen um Aufmerksamkeit buhlen, sondern bekommen diese auf natürliche Weise, weil Kinder diese eben benötigten und dies etwas ganz normales ist. Möchte man auf Augenhöhe mit den Kindern umgehen, braucht man sich nur die Frage zu stellen: Wer kann sich länger in Geduld üben, Kinder oder Erwachsene? Die Antwort liegt nahe, also kümmert man sich erst um die Kinder.
Wenn Kinder die Erwachsenen unterbrechen
Abschließend sei noch zu sagen, dass man auch auf die Kinder einzugehen kann, wenn diese einen etwas fragen und damit ein Gespräch unter Erwachsenen unterbrechen. Ihnen einfach den Mund zu verbieten, halte ich für völlig sinnlos und sogar schädigend. Das Kind hat nämlich die gleichen Rechte wie die Erwachsenen. Eine gute Vorgehensweise ist, sich das Anliegen anzuhören und dem Kind zu sagen, dass man es aufgenommen hat und nach dem Gespräch mit dem Gegenüber darauf zurückkommt. Das sollte dann aber auch in den nächsten 5 bis 15 Minuten passieren. Dabei kann man ruhig sagen, dass man sich jetzt unterhalten möchte und gerade kein Zeit hat. Aber sie sagen dem Kind auch, dass sie verstehen, was das Kind möchte, wie z.B. „Ich kann gut verstehen, dass du mir deinen Kaufladen zeigen möchtest und nach dem Gespräch hier mit Maria schaue ich mir diesen an.“. Sollte das Kind dies immer noch nicht verstehen, so kann man auch noch erwähnen, dass man vorhin ja auch schon gespielt hat und nun auch mal mit Maria sprechen möchte.
Insgesamt ist das alles eine große Thematik – wie gehe ich mit Kindern um und begleite diese ins Leben – und ich habe diese auch nur ansatzweise in der mir wichtigen Situation angeschnitten. Inhalte und Beispiele gibt es in Fülle, so dass diese ein Buch füllen würden.